Nur wenige Unternehmen schaffen es bisher, auf ältere Kunden einzugehen. Dabei kaufen Konsumenten im Rentenalter heute schon weltweit Waren im Wert von sechs Billionen Euro. Und die Wachstumsraten sind enorm.
Düsseldorf. Wer im Supermarkt schlecht sehen kann, ist aufgeschmissen. Die Preise sind klein, die Zutatenlisten noch kleiner abgebildet, die Mengenangaben meist selbst für gesunde Menschen schwer zu erkennen. Wer dann noch wackelig auf den Beinen ist und mit dem Tempo der Kassiererin am Laufband nicht mithalten kann, für den wird der Einkauf zum Sport. Und er verliert die Lust am Konsum.
Derzeit geht es vielen älteren Menschen jenseits der 60 Jahre so. Zahlreiche Untersuchungen zeigen: Noch immer haben sich die meisten Unternehmen nicht auf die wachsende Konsumentengruppe der Senioren eingestellt. Dabei repräsentieren ältere Kunden mittlerweile bis zu 30 Prozent der Kaufkraft. Im vergangenen Jahr kauften sie weltweit Produkte im Wert von knapp sechs Billionen Euro. Bis 2020 wird sich diese Summe fast verdoppeln, auf elf Billionen Euro.
Die Verschlafenheit vieler Unternehmen verwundert umso mehr, wenn man eine aktuelle Untersuchung von A.T. Kearny betrachtet. Die Unternehmensberatung befragte 3000 über 60-Jährige in 23 Ländern nach ihren Kaufgewohnheiten. Dabei kam heraus, dass Senioren bei Produkten zwar sehr auf die Qualität achten. Dafür sind sie aber auch eher als junge Konsumenten bereit, höhere Preise zu zahlen. Eine interessante, aber bisher vernachlässigte Kundengruppe also.
„Generell gibt es durch alle Branchen hinweg Nachholbedarf“, sagt Josef Hilbert, Leiter des Forschungsschwerpunktes Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität an der Fachhochschule Gelsenkirchen und Mitherausgeber des „Jahrbuches Seniorenwirtschaft 2011“. Fast komplett schlafen zum Beispiel noch der Lebensmitteleinzelhandel und die Hotellerie. Auch die Bekleidungsindustrie verzichtet weitgehend auf die ältere Kundschaft. Abgesehen von ein paar wenigen Exoten haben die großen Textilhändler das Potenzial der älteren Kundschaft noch nicht erfasst, da sind sich Experten einig.
„Bärenticket“ für Senioren
„Nach Jahrzehnten des Jugendwahns verändern sich die Werbebilder und es werden in einzelnen Bereichen spezielle Produkte für Senioren entwickelt“, sagt Hilbert. Absoluter Gewinner sei zum Beispiel die Sanitärbranche. „Sie profitiert davon, dass immer mehr alte Menschen ihre Bäder barrierefrei umbauen lassen.“ Schließlich steigt mit dem Alter der Wohnungs- und Hausbesitzer auch der Bedarf nach altersgerechter Badausstattung.
Aber auch einige Nahverkehrsbetriebe stellen sich auf die wachsende Zielgruppe ein. So verkauft der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr als einer der ersten Anbieter eine spezielle Abokarte für Kunden ab 60 Jahren. Das Unternehmen nennt es „Bärenticket“, Kunden können damit zum vergünstigten Preis in der ersten Klasse mit Bus und Bahn fahren.
Einfach zufriedenzustellen sind die älteren Kunden jedenfalls nicht. „Senioren haben häufig Zeit genug, um beides zu bekommen: einen guten Preis und eine gute Qualität“, sagt Experte Hilbert. Schließlich können sie ausführlich die Preise vergleichen im Gegensatz zu den gehetzteren, arbeitenden Konsumenten.
Unternehmen müssen lernen, diesen Ansprüchen gerecht zu werden und ihre Produkte und ihren Vertrieb stärker auf die Bedürfnisse der Kunden ausrichten. Dass sie sich jahrelang vor allem auf die jüngeren Konsumenten konzentriert haben, rächt sich nun. Den Unternehmen fehle schlichtweg die Erfahrung im Umgang mit Senioren, sagt Gundolf Meyer-Hentschel, Inhaber des gleichnamigen Instituts für Seniorenmarketing in Saarbrücken.
Eine Branche, die sich immer noch schwer tut, sich auf die neue dominierende Zielgruppe einzustellen, ist auch die deutsche Finanzwirtschaft. Auf der einen Seite müssen die Banken dem Anspruch der älteren Kunden gerecht werden, die lieber am Bankschalter ihre Geldgeschäfte erledigen. Auf der anderen Seite sinken vor allem auf dem Land die Einwohnerzahlen und immer mehr junge Leute nutzen Online-Banking. So schrumpfen die Umsätze der Filialen.
Der Bote bringt Bargeld direkt zur Haustür
Vor allem in ländlichen Regionen und in Ostdeutschland stehen die Sparkassenchefs unter Druck. Einerseits müssen sie sich von Standorten trennen, die Verluste einfahren. Auf der anderen Seite müssen sie in ihrer Region Präsenz zeigen und eine möglichst hohe Filialdichte aufrecht erhalten, damit die ohnehin schrumpfende Kundengruppe nicht auch noch zur Konkurrenz abwandert.
Vor diesem Problem stehen viele Unternehmen. „Der hohe Wohlstand dieser Generation hat sicher auch einen Einfluss darauf, dass die Unternehmen immer mehr auf die Senioren eingehen. Aber selbst wenn die Alten nicht so viel Geld hätten, müssten sich die Firmen um diese Zielgruppe kümmern. Schließlich brechen ihnen die jungen Leute durch den demografischen Wandel weg“, sagt Seniorenexperte Meyer-Hentschel.
Um zu verhindern, dass ihnen die verbleibenden Kunden zur Konkurrenz laufen, probieren etwa die Banken vieles aus. In manchen Regionen fahren „Geldbusse“ durch die Dörfer, anderswo bringen Boten Bargeld direkt zur Haustür.
Der Einzelhandel hat es da schon leichter, sich auf die Bedürfnisse der alternden Kundschaft einzustellen. Vielfach ausgezeichneter Vorreiter ist dabei die Supermarktgruppe Edeka. In einigen Filialen hängen neben den Preisschildern Lupen, in den Gängen stehen Stühle zum Ausruhen. Die ältere Kundschaft nimmt das dankbar an.
Quelle: Handelsblatt Online
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